„REISBREI-SIEDLUNG“:

SYNONYM FÜR DIE SIEDLUNG „EIGENE SCHOLLE“ WIESBADEN

LUFTBILD 1929
LUFTBILD 1929

 

 

 

 

 

Die Siedlung „Eigene Scholle“ in Wiesbaden wurde in den Jahren 1925 – 1926 durch den privaten Bauträger „Gemeinnützige Siedler-Vereinigung EgmbH“  mit dem Ziel erstellt, Wohnraum für Menschen mit geringerem Einkommen zu schaffen. Aufgrund dieser Zielsetzung, aber auch aufgrund der realen finanziellen Bedingungen der Siedler nach dem Kauf ihrer Häuser, wurde der Begriff „Reisbrei-Siedlung“ geprägt. Er ist heute noch besonders  bei Planern und Architekten in Wiesbaden geläufig. Da er an die Gründungsziele der Siedlung erinnert, wird er für die website gewählt. (1)

 

Der Wiesbadener Architekt Friedrich Werz war Initiator dieser Siedlung. Seine bekannteste Arbeit ist das in den Jahren 1904 – 1907 in Wiesbaden erbaute Landeshaus, Gebäude des damaligen kommunalen Landtags und heute Sitz des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr.(2)



1986 wurde die Siedlung vom Landesamt für Denkmalschutz unter Denkmalschutz gestellt.
Die einheitliche Wohnanlage signalisierte in Wiesbaden den Beginn einer neuen Epoche des Bauens im Gegensatz zum weite Teile des Stadtbilds beherrschenden exclusiven Villenbau im 19. Jahrhundert. Wiesbaden hatte 1905 die 100.000er-Grenze überschritten und brauchte Platz für seine Bewohner. Die Entstehung der Siedlung folgte der Gartenstadtbewegung, dem planmäßigen Erstellen von Eigenheimen in eigens dafür erschlossenen Wohngebieten im Grünen durch Bauvereine und Genossenschaften. Diese für die Entwicklung von Großstädten wichtige Planungsart blieb in Wiesbaden ohne weitere Nachfolge. (1)

Die Reisbrei-Siedlung  weist heute sehr viele Abweichungen gegenüber dem Ursprungszustand auf.  Das ist normal, da bis 1986 die Mehrzahl der gewünschten  baulichen Veränderungen zulässig waren. Aber auch nach der Einbeziehung der Siedlung in die Denkmalliste der  Stadt Wiesbaden wurden viele bauliche Veränderungen ohne Baugenehmigung und ohne Zustimmung des Denkmalamts durchgeführt, zumal vielen Bewohnern der Denkmalschutz für die Siedlung nicht bekannt war. Dies beeinträchtigt den geschlossenen  Charakter der Siedlung erheblich. Das gilt auch für die unter Ensembleschutz stehenden städtischen Flächen, die Straßen mit ihren Bäumen und das „Lindendreieck“.

Die „Untere Denkmalschutzbehörde“ –Teil der Stadtverwaltung“ - engagiert sich seit einigen Jahren stärker für die Erhaltung und Fortentwicklung der Siedlungsarchitektur. Hervorzuheben ist auch die dort entstandene Dokumentation von Dr.Tobias Wolf (3). Zu deren öffentlicher Vorstellung am 24.3.2011 wurden die Bewohner der Siedlung eingeladen. Die Genehmigungspraxis der Behörde zeigt, daß neue Bautechniken und – elemente eingeführt werden können und daß beratende Hilfe angeboten wird.
 
Anders sieht es bisher bei der Einhaltung der denkmalschutzrechtlichen Vorgaben  bei der Instandhaltung und Wiederinstandsetzung der im städtischen Eigentum befindlichen Teile der Siedlung durch Planungsdezernat und Tiefbauamt  der Stadt Wiesbaden aus.
Das wichtigste Beispiel:
Das Tiefbauamt hat noch 2009 versucht, bei einer Sanierung des Fahrwegs den architektonisch wichtigen Mittelpunkt der Siedlung, das„Lindendreieck“, einfach zugunsten eines fachlich unsinnigen Kreisels zu schleifen. Erst durch Eingreifen der für Maßnahmen der Stadt Wiesbaden zuständigen Genehmigungsbehörde, des Landesdenkmalamts, konnte dies verhindert werden. Die Baumaßnahme sollte ohne denkmalschutzrechtliche Genehmigung durchgeführt werden, und das in einem Dezernat, in dem auch die „Untere Denkmalbehörde“ für die privaten Objekte angesiedelt ist.

                1929                                  20013                                  Plan  2009

 

Ausgesprochen positiv ist dagegen heute hervorzuheben, daß der Planungsauschuss des Stadtparlaments  einem von dessen Vorsitzenden Kessler initiierten Beschlussvorschlags am 13. März 2012 einstimmig zugestimmt hat. Es geht darum, den Magistrat zu bitten, eine Planung zur Instandsetzung und gestalterischen Aufwertung des denkmalgeschützten sog. "Linden-Dreiecks" vorzulegen, deren Umsetzung auch in Teilschritten möglich sein sollte. Dem Beschlussvorschlag lag ein Antrag der IG- Reisbrei-Siedlung zugrunde.

2012 haben wir angesichts der Ereignisse von 2009 die Interessengemeinschaft (IG) Reisbrei-Siedlung gegründet, um die Akzeptanz des Denkmalschutzes bei den Anwohnern und der Stadt zu erhöhen sowie Verkehrssicherheit und Naturschutz in der Siedlung den gebührenden Rang zu verschaffen.

Inhalte der website sind daher vorrangig:

  • Informationen über Architektur und Entwicklung (Bewohnerstruktur bei der Gründung, Besatzungszeit, aktuelle Situation usw) 
  • Informationen über Denkmal- und Planungsrecht, Förderung durch Steuerrecht und direkte Subventionen 
  • Best Practice : Darstellung genehmigter Projekte – Bilder, möglichst Konstruktionszeichnungen und Kostengrößenordnungen -  bei Instandsetzung oder Umbau der Häuser zur Information der Bewohner und besonders neuer Bewohner, die unter Zeitdruck Investitionen vornehmen wollen 
  • Städtische Planungen und Umgang mit dem Denkmalschutzrecht bei Instandhaltung und Baumaßnahmen 
  • Verkehr 
  • IG Reisbrei-Siedlung  -  Informationen und Aktionen




Achtung: Die website steht bei den vorgesehenen Informationen zu den stilbildenden Bauelementen der Siedlung (genehmigt /best practice) erst am Anfang. Diese werden zum Teil erst  bei zukünftigen Neuinvestitionen erarbeitet werden können.



(1) Kulturdenkmäler in Hessen, 1988
(2) HMWVT: 85 Jahre Landeshaus, 1992
(3)  Wolf, Tobias Michael: Siedlung „Eigene Scholle“, Skript vom 25.09.2008

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